Risikomanagement bei internationalen Arbeitsverhältnissen

Proaktive Strategien für grenzüberschreitende Herausforderungen

In zahlreichen Veröffentlichungen hat BDO dargelegt, wie Unternehmen Risiken in den Bereichen Steuern, Arbeitsrecht und Sozialversicherungen effektiv vermeiden oder bewältigen können (siehe unten). Diese fokussierten die Ursachen, die Auswirkungen und mögliche Massnahmen, die mit den jeweiligen Einzelrisiken verbunden sind. Der vorliegende Artikel zielt auf die Sensibilisierung von Entscheidungstragenden im Hinblick auf die Vielfalt von Risiken ab, die bei grenzüberschreitenden und internationalen Arbeitsverhältnissen auftreten können. Gleichzeitig zeigt er auf, wie diese Risiken Entscheidungen auf Unternehmensebene beeinflussen. Dies wiederum verdeutlicht die Notwendigkeit, solche Risiken auf unternehmensweiten Risikolandkarten abzubilden.

Risikomanagement ist ein zentrales Element der Unternehmensführung. Um potenzielle Risiken frühzeitig zu identifizieren und angemessen darauf reagieren zu können, setzen Unternehmen auf verschiedene Methoden. Im Fokus stehen oftmals strategische, operative, finanzielle, politische, gesellschaftliche und marktbasierte Risiken. Einzelne oder kombinierte Gefahren, die aus grenzüberschreitenden Tätigkeiten hervorgehen, finden selten den Weg auf die Risikolandkarte.

Konsequenzen unzureichender Risikobewertungen

Die Folgen ungenauer Vorabklärungen oder der Nichtbeachtung solcher Risiken sind unterschiedlich:

  • Durch die betriebliche Tätigkeit im Ausland wird in einem Staat eine Betriebsstätte begründet, was für das Unternehmen eine lokale Steuerpflicht nach sich zieht.
  • Mitarbeitende werden ohne gültigen Versicherungsschutz ins Ausland geschickt. Die Folgen eines Unfalls können ungedeckt bleiben.
  • Es liegen keine gültigen Aufenthalts- oder Arbeitsbewilligungen vor. Die Mitarbeitenden werden ausgewiesen bzw. aufgefordert, die Arbeit niederzulegen. In der Folge wird eine Busse ausgestellt. Zudem kann es zu Konventionalstrafen kommen, da die Aufträge nicht rechtzeitig erledigt werden können.

Diese drei Beispiele stehen exemplarisch für eine Vielzahl von Risiken und Herausforderungen, die auf international tätige Unternehmen zukommen.

Risikomanagement bei grenzüberschreitenden oder internationalen Arbeitsverhältnissen

Das Risikomanagement bei grenzüberschreitenden oder internationalen Arbeitsverhältnissen umfasst eine Vielzahl von Bereichen, darunter:

  • Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen: Einhaltung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen im Heimat- und Zielland sowie internationale Regelungen.
  • Bewilligungsrechtliche Voraussetzungen: Einholen von Arbeits- und Niederlassungsbewilligungen; wo nötig rechtzeitig Visum beantragen.
  • Steuerliche Aspekte: Berücksichtigung von Steuervorschriften, Vermeidung von Doppelbesteuerung oder Betriebsstätte im Einsatzland.
  • Soziale Absicherung: Sicherstellung der Versicherungen, Sozialversicherungen sowie anderer Leistungen für Arbeitnehmende und Arbeitgebende.
  • Datensicherheit und Datenschutz: Gewährleistung der Einhaltung von Datenschutzbestimmungen bei der Übermittlung von Daten über Ländergrenzen hinweg.
  • Politische Gefahren: Währungsschwankungen, politische Instabilität oder kulturelle Unterschiede.
  • Vertragsmanagement: Überprüfung und Anpassung von Verträgen an die rechtlichen Anforderungen verschiedener Länder.

Es ist wichtig, all diese Bereiche sorgfältig zu berücksichtigen, um reibungslose und rechtlich konforme grenzüberschreitende und internationale Arbeitsverhältnisse zu garantieren.

Die Verantwortung für die Umsetzung der Punkte 1 bis 4 liegt oftmals bei Mitarbeitenden im HR- oder Global-Mobility-Bereich, während Risiken im Zusammenhang mit den Punkten 5 bis 7 und deren Auswirkungen selten bis nie in das betriebliche Risikomanagement einfliessen.

Möglichkeiten zur Einbettung im unternehmensweiten Risikomanagement werden im Folgenden anhand von zwei Beispielen illustriert.

Risikomanagement einbetten - zwei Beispiele

Wichtig ist, dass bei der Risikobeschreibung immer vom Bruttorisiko ausgegangen wird. Das Bruttorisiko, auch Rohrisiko genannt, beschreibt die potenzielle Gefahr eines Risikos, ohne dabei die Wirkung von Gegenmassnahmen einzubeziehen. Das Nettorisiko hingegen stellt die Bewertung des Risikos dar, nachdem alle relevanten risikomindernden Massnahmen berücksichtigt worden sind.
 

Beschrieb Beispiel 1 Beispiel 2
Risikobeschrieb / Gefährdung
  • Mitarbeitende sind falsch oder nicht versichert (Sozialversicherungssystem bzw. Land, Versicherungsdeckung bei Auslandeinsätzen).
  • Durch Homeoffice-Tätigkeit ausserhalb der Schweiz kann eine Betriebsstätte begründet werden. Dies löst eine Steuerpflicht auf Stufe Arbeitgeber im entsprechenden Land aus.
  • Mitarbeitende werden bevollmächtigt, im Namen des Unternehmens Verträge im Ausland abzuschliessen («Vertreterbetriebsstätte»).
Ursache (Risikotreiber)
  • Fehlende, falsche oder veraltete Informationen des Mitarbeitenden bezüglich persönlicher Verhältnisse (Wohnsitz, weitere Tätigkeiten, Arbeitsort, Nationalität usw.).
  • Fehlendes oder nicht aktuelles Fachwissen innerhalb Firma XY bezüglich Koordination und Versicherungsdeckung.
  • Eine auf Dauer (sechs Monate und länger) angelegte Aussenstelle (z.B. Homeoffice) kann eine Betriebsstätte auslösen.
  • Eine Geschäftstätigkeit mittels eines abhängigen Vertreters im Ausland kann zu einer Qualifikation als steuerliche (Vertreter-)Betriebsstätte führen.
Auswirkung
  • Im Leistungsfall (Unfall, Invalidität, Todesfall) droht eine Verweigerung / Kürzung von Auszahlungen.
  • Mitarbeitende reisen u.U. ohne Versicherungsdeckung ins Ausland (Staaten ohne Sozialversicherungsabkommen bzw. Abkommen sind nicht auf betroffene Mitarbeitende anwendbar).
  • Anlässlich einer Arbeitgeberkontrolle drohen rückwirkende Beitragsforderungen bzw. Rückvergütung.
  • Unterstellungspflicht im Ausland für Firma XY kann im Vergleich zur Schweiz zu höheren Sozialversicherungsabgaben führen.
  • Die Betriebsstätte ist im internationalen Steuerrecht in der Regel der Anknüpfungspunkt für die Besteuerung des Unternehmensgewinnes. D. h. liegt eine Betriebsstätte ausserhalb der Schweiz vor, darf der entsprechende Staat die Unternehmensgewinne anteilsmässig besteuern. Es erfolgt eine Steuerausscheidung oder - bei fehlendem Doppelbesteuerungsabkommen - gar eine Doppelbesteuerung.
Massnahmen
  • Grundsatzentscheid über Art der Zusammenarbeit (Arbeits- oder Auftragsverhältnis).
  • Detaillierte Klärung der Sozialversicherungsunterstellung bei Rekrutierung und jeglicher Vertrags- und / oder Funktionsanpassungen (inkl. A1).
  • Jährliche Überprüfung der Personalien bzw. der Wohn- und Arbeitssituation bei den betroffenen Mitarbeitenden.
  • Standardisierter und verpflichtender Deckungscheck im Rahmen von Auslandseinsätzen.
  • Ständiges Aufrechterhalten des internen Fachwissens bezüglich sozialversicherungsrechtlicher Unterstellung.
  • Klärung des Deckungsschutzes der Unfall-Zusatzversicherung.
  • Im Zusammenhang mit der Gewährung von Homeofficetätigkeit bzw. vorwiegender Tätigkeit im Ausland klären, ob dies allenfalls eine Betriebsstätte im Ausland auslösen kann.
  • Taggenaue Protokollierung der Auslandseinsätze/Homeoffice-Tage sowie regelmässige Überwachung bzw. Überprüfung bei Anpassung von Verträgen oder Pensen im Ausland.
  • Aktive Nachverfolgung der Gesetzgebung/Abkommen in der dynamischen Steuerwert und insbesondere Beobachtung der Entwicklungen hinsichtlich der teils noch inkonsistenten Vorgehensweise hinsichtlich Annahme einer Betriebsstätte.


 

Anschliessend geht es darum, die einzelnen Risiken zu bewerten. Die Eintretenswahrscheinlichkeit wie auch der finanzielle Einfluss einer Verfehlung bzw. Nichteinhaltung des Risikos sind zu berücksichtigen. Die Taxierungsvorgaben des unternehmensweiten Risikomanagements dienen als Orientierung. So ist sichergestellt, dass ein Vergleich mit den übrigen Risiken möglich ist.

Eintretenswahrscheinlichkeit Selten Möglich
Schadenpotenzial Gering Spürbar
Top-Risk    

Die Ergebnisse lassen sich kombinieren und grafisch darstellen. Dadurch sind die Top-Risiken sofort ersichtlich.

Risikodefinition

 Geringes Risiko Keine Massnahmen erforderlich

 Hohes Risiko Massnahmen zur Risikominderung zu prüfen

 Kritisches existenzielles Risiko Massnahmen zur Risikominderung erforderlich resp. Akzeptanz aufgrund mangelnder Beeinflussbarkeit

Grafik: Beispiel einer Heat-Map zur Darstellung potenzieller Risiken

Die erfassten Risiken sind regelmässig zu überprüfen bzw. allenfalls zu ergänzen oder zu löschen. Idealerweise geschieht dies gleichzeitig mit der Überprüfung übriger strategischer und betrieblicher Risiken.

Rentabilität steigern durch aktives Risikomanagement bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten

Die Integration von Risiken im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden und internationalen Arbeitsverhältnissen in das unternehmensweite Risikomanagement erhöht die Sichtbarkeit dieser Risiken für Leitungsgremien. Dies schärft das Bewusstsein für diese Risiken, wodurch sie vermehrt in den Fokus rücken und bei Entscheidungen frühzeitig miteinbezogen werden.

HR- und Global-Mobility-Verantwortliche können dadurch proaktive und risikoneutrale Lösungen ausarbeiten und etablieren. Die Berücksichtigung dieser Risiken bei allen strategischen und betriebswirtschaftlichen Entscheidungen vermeidet unerwünschte Komplikationen und Bussen bei der lokalen Umsetzung, reduziert Kosten und steigert die Rentabilität.

BDO unterstützt Sie mit umfassender Fachexpertise beim Ausarbeiten einer individuellen und kombinierten Risiko- und Kontrollmatrix. Dabei stützen wir uns auf ein schweizweites Netzwerk von Spezialistinnen und Spezialisten aus relevanten Disziplinen und garantieren damit eine fundierte Beratung.

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