Aufbewahrungspflichten und Aufbewahrungsfristen von Geschäftsunterlagen in der Schweiz

Archivierung von Geschäftsunterlagen: Was, wie, und wie lange?

Auf den ersten Blick scheint es einfach, der Aufbewahrungspflicht in der Schweiz nachzukommen: Man schafft Archivraum und bewahrt die Jahresrechnung sowie Buchhaltungsbelege für 10 Jahre auf. Doch die Tücke steckt im Detail.

Wir betrachten nachfolgend vor allem die Anforderungen für Aktiengesellschaften, wobei alle buchführungspflichtigen Unternehmen, Organisationen und Privatpersonen betroffen sind. Gemäss Art. 716a Abs.1 Ziff. 3 OR ist die Organisation und Ausgestaltung des Rechnungswesens eine unentziehbare Aufgabe des Verwaltungsrats. Diese Verantwortung lässt sich nicht delegieren.

Die wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen im Überblick

Die Pflicht zur Buchführung unterliegen Einzelfirmen, Personengesellschaften, juristische Personen, aber auch Vereine und Stiftungen (Art. 957 OR).

Gemäss Art. 958f OR sind die Geschäftsbücher und die Buchungsbelege sowie der Geschäftsbericht und der Revisionsbericht während zehn Jahren aufzubewahren. Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Ablauf des Geschäftsjahres. Der Geschäftsbericht und der Revisionsbericht sind schriftlich und unterzeichnet aufzubewahren.

Die Geschäftsbücher und die Buchungsbelege können auf Papier, elektronisch oder in vergleichbarer Weise aufbewahrt werden, soweit dadurch die Übereinstimmung mit den zugrunde liegenden Geschäftsvorfällen und Sachverhalten gewährleistet ist und wenn sie jederzeit wieder lesbar gemacht werden können. Der Bundesrat hat mit der Geschäftsbücherverordnung (GeBüV) Vorschriften über die zu führenden Geschäftsbücher, die Grundsätze zu deren Führung und Aufbewahrung sowie über die verwendbaren Informationsträger erlassen.

Daneben gibt es eine Vielzahl zusätzlicher gesetzlicher Bestimmungen. Diese finden sich unter anderem im Obligationenrecht, im Strafrecht, im Mehrwertsteuergesetz, in der Mehrwertsteuer- verordnung, im Zollgesetz, in den Steuergesetzen, im Bundesgesetz über den Datenschutz und der entsprechenden Verordnung, in der Handelsregisterverordnung und bei den Sozialversicherungen. Daneben gibt es Vorschriften in der Verordnung des EFD über elektronische Daten und Informationen (EIDI-V) und im Bundesgesetz über die elektronische Signatur (ZertES). Zudem gibt es spezielle Vorschriften für einzelne Branchen, beispielsweise für Versicherungen, Banken und Pensionskassen. Entsprechend ist der Überblick über die gesetzlichen Bestimmungen eine Herausforderung.

Auch bei liquidierten Gesellschaften sind die Geschäftsbücher der gelöschten Gesellschaft während 10 Jahren an einem sicheren Ort aufzubewahren. Dieser Ort wird von den Liquidatoren bezeichnet oder, wenn sie sich nicht einigen können, vom Handelsregisteramt (Art. 747 OR).

Was muss archiviert werden? Übersicht über die gesetzlichen Pflichten

Zu archivieren sind die Geschäftsbücher und die Buchungsbelege. Welche Belege und Unterlagen betroffen sind, muss jedes Unternehmen selbst festlegen. Die Buchführung bildet die Grundlage der Rechnungslegung. Sie erfasst diejenigen Geschäftsvorfälle und Sachverhalte, die für die Darstellung der Vermögens-, Finanzierungs- und Ertragslage des Unternehmens notwendig sind (Art. 957a Abs. 1 OR). Im Einzelnen sind in der Regel und je nach Art und Grösse des Unternehmens folgende Unterlagen von der Aufbewahrungspflicht tangiert:

Aufbewahrungspflichtige Unterlagen

  • Jahresrechnung bestehend aus Bilanz, Erfolgsrechnung, allenfalls Anhang, Kapitalflussrechnung, Lagebericht und Konzernrechnung;
  • Der Geschäftsbericht, der Revisionsbericht und der Lagebericht (bei ordentlicher Revision) muss schriftlich und unterzeichnet aufbewahrt werden (Art. 958f Abs. 2 OR);
  • Konti und Journale;
  • Hilfsbücher soweit vorhanden mit allen dazugehörenden Details wie Debitoren, Kreditoren, Lohn, Lagerbuchhaltung;
  • Details zur Jahresrechnung: Diese bestehen in der Regel aus Inventaren der Vorräte, angefangenen Arbeiten oder nicht fakturierten Dienstleistungen, Wertschriftenverzeichnisse, Details der Anzahlungen, Abgrenzungsposten;
  • Buchungsbelege: Als Buchungsbelege gelten Aufzeichnungen, welche notwendig sind, um den einer Buchung zugrunde liegenden Geschäftsvorfall oder Sachverhalt nachvollziehen zu können, Art. 957a Abs. 3 OR. Buchungs- belege können Bankbelege, Kassenbelege, Rechnungen, Quittungen, Spesenabrechnungen, Zeiterfassung der Mitarbeitenden und die Korrespondenz sein, sofern diese als Buchungsbeleg gilt;
  • Allenfalls weitere Bestandteile wie Anlagebuchhaltung, Betriebsbuchhaltung, Kalkulation;
  • Lieferscheine können Teil der Rechnung und somit während 10 Jahren aufbewahrungspflichtig sein. Dies ist der Fall wenn auf der Rechnung nur ein Bezug zum Lieferschein aufgeführt ist. Wenn der Lieferschein auf der Rechnung jedoch mit allen Informationen abgebildet wird, kann er nach Bezahlung der Rechnung vernichtet werden. Vorsichtiger ist die Aufbe- wahrung während 10 Jahren.
  • Dokumente, welche in irgend einer Art und Weise rechtsverbindliche Wirkung entfalten wie Verträge, VR- und GV-Protokolle, die Gewinnvertei- lung, Urkunden, Inventare, Statuten, Aktienverzeichnisse, Personaldossiers, Geschäftsberichte, Steuererklärungen, MWST-Abrechnungen, Sozialver- sicherungsdeklarationen und Lohnausweise.

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Wie müssen Unterlagen archiviert werden? Diese Anforderungen gelten

Die Geschäftsbücher können in Papierform, elektronisch oder in vergleichbarer Weise geführt bzw. aufbewahrt werden. Die Geschäftsbücherverordnung GeBüV lässt zwei Archivierungsformen zu:

Archivierungsform 1:

Aufbewahrung auf unveränderbaren Informationsträgern Papier ist der wichtigste Vertreter der «unveränderbaren Infor- mationsträger». Zu dieser Kategorie gehören auch Bildträger und unveränderbare Datenträger.

Bildträger sind entwickelte Filme, auf denen stark verkleinerte Abbildungen von Schriftstücken und Dokumenten festgehalten sind. Beispiele: Microfilme, allenfalls Fotokopien.

Unveränderbare Datenträger sind magnetisierbare Medien, welche Informationen speichern.

Beispiele: WORM (write once read many), CD-R, DVD-R und UDO (Ultra Density Optical). Es ist zu beachten, dass nicht alle oben erwähnten Speichermedien über eine entsprechend lange physische Lebensdauer (10 respektive allenfalls 26 Jahre) verfügen.

Archivierungsform 2:

Aufbewahrung auf veränderbaren Informationsträgern. Veränderbar sind Datenträger, wenn die darauf gespeicherten Informationen verändert oder gelöscht werden können, ohne dass dies auf dem Datenträger nachweisbar ist.

Beispiele: Magnetbänder, Disketten, Fest- und Wechselplatten, Solid State Drives (SSD) Speicher, USB-Sticks, CD-RW, DVD-RW etc. Die Anforderungen an die Betriebsorganisation und die IT bei veränderbaren Informationsträgern sind deshalb sehr hoch.

Wie müssen Unterlagen archiviert werden? Diese Anforderungen gelten

Die Frist beginnt mit Anlauf des Geschäftsjahres, in welchen die Buchungsbelege entstanden sind.

Verjährung in der Schweiz gemäss Art. 127ff OR, Auswahl Jahre Bezeichnung

  • 5 Periodische Leistungen wie Miete, Pacht-, Kapitalzinsen, Versicherungsprämien.
  • 5 Handwerkerrechnungen, Waren des täglichen Bedarfs.
  • 5 Honorare für Anwälte, Ärzte, Notare.
  • 5 Arbeitslohn, Ferien- und Überzeitenguthaben.
  • 5 Rückerstattung ungerechtfertigter oder bösgläubiger Bezüge an Aktiengesellschaft (Kapitalrückgewähr gemäss Art. 678 OR).
  • 10 Allgemeine Verjährungsfrist.
  • 20 Verlustscheine, nach Ausstellung.
  • 20 MWST bei unbeweglichen Gegenständen.*

* Art. 70 Abs. 3 MWSTG:Alle relevanten Geschäftsunterlagen, die im Zusammenhang mit der Berechnung der Einlageentsteuerung und des Eigenverbrauchs von unbeweglichen Gegenständen stehen, sind während 20 Jahren aufzubewahren. Hinzu kommt die absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren. Somit müssen sie 30 Jahre aufbewahrt werden, vgl. Nachfolgende Ausführungen im Text.

Welchen Unterlagen sollten freiwillig archiviert werden?

Jede Gesellschaft muss definieren, welche zusätzlichen Dokumente archiviert werden sollen. Unterlagen und Belege können als Beweismittel bei Auseinandersetzungen, aber auch als Nachschlagewerk für betriebsinterne Zwecke dienen. Im Steuerrecht hat der Steuerpflichtige steuervermindernde Tatsachen zu beweisen. Es ist somit angezeigt, gewisse Unterlagen freiwillig aufzubewahren. Nachfolgend einige Empfehlungen:

  • MWST: Geschäftsunterlagen im Zusammenhang mit Grundstücken sollten 26 Jahre aufbewahrt werden
    (20 Jahre mehrwertsteuerliche Abschreibungsdauer,zusätzlich zehn Jahre absolute Verjährungsfrist im Falle einer Nutzungsänderung ). Der Grund liegt darin, dass der Steuerpflichtige bei Nutzungsän- derungen von bisher steuerlich genutzten Liegenschaften den Nachweis betreffend der von der Nutzungsänderung betroffe- nen Vorsteuern erbringen muss. Gelingt dies nicht, kann dies eine Eigenverbrauchssteuer im Umfang des Zeitwertes der vorgenommenen Vorsteuerabzüge auf wertvermehrenden Aufwendungen - nach sich ziehen. Der Zeitwert berechnet sich, indem der geltend gemachte Vorsteuerabzugsbetrag pro abgelaufenes Kalenderjahr um eine lineare Abschreibung von 5% reduziert wird. Allenfalls ist auch die Einlageentsteuerung möglich. Ein separater Ablagekreis für Geschäftsunterlagen im Zusammenhang mit Immobilien ist deshalb empfehlenswert.
  • Grundstückgewinnsteuer: Die Steuerverwaltungen lassen je nach Kanton ab einem gewissen Alter einen kalkulierten
    Erwerbswert zu (welcher von der Steuerverwaltung berechnet wird). Höhere Anschaffungskosten oder wertvermehrende Investitionen müssen vom Steuerpflichtigen mittels Belegen nachgewiesen werden. Empfehlung: Liegenschaftsbesitzdauer = Aufbewahrungsdauer.
  • Veranlagungs- und Bezugsverjährung direkte Steuern: Das Recht, eine Steuer durch die Steuerbehörde zu veranlagen, verjährt spätestens 15 Jahre nach Ablauf der betroffenen
    Steuerperiode (Veranlagungsverjährung). Ab dem Zeitpunkt der rechtskräftig gewordenen Steuerveranlagung läuft die Bezugs- verjährung, welche spätestens nach 10 Jahren eintreten wird. Kumuliert betrachtet kann sich das Veranlagungs- und Bezugs- verfahren bei den ordentlichen Einkommenssteuern somit, im Extremfall, über 25 Jahre erstrecken.
  • Korrespondenz: Seit der Einführung des neuen Rechnungs- legungsrechts in den Jahren 2013 bis 2015 ist nur noch der Teil der Korrespondenz der Aufbewahrungspflicht unterliegend, welcher als Buchhaltungsbeleg qualifiziert (was in der Praxis nur bei wenigen Unterlagen der Fall sein dürfte). Es empfiehlt sich, die Korrespondenz oder zumindest die wesentlichen Briefe und E-Mails freiwillig zu archivieren.

Das müssen Sie über die Aufbewahrungspflichten wissen

Viele Unternehmen kennen oder beachten die Aufbewahrungspflichten und -fristen gemäss den gesetzlichen Bestimmungen zu wenig. Die Risiken, welche mit einer ungenügenden oder unvollständigen Archivierung verbunden sind, wer- den oft unterschätzt. Der Richter kann im Streitfall die Vorlage von Buchhaltungsunterlagen verlangen. Diese sind aber unter Umständen auch bei der Abwehr von nicht gerechtfertigten Ansprüchen Dritter von grossem Nutzen.

Die Belegaufbewahrung ist eine unentziehbare Aufgabe des höchsten Exekutivorgans. Die Verantwortung liegt bspw. beim Verwaltungsrat und allenfalls bei der Geschäftsleitung liegt. Auf keinen Fall darf die Archivierung als «Abfallprodukt» der Buchhaltung verstanden werden und die Verantwortung an Mitarbeitende delegiert werden.

Im Zuge der Digitalisierung setzen immer mehr Unternehmen auf elektronische Archivierungssysteme, die sowohl effizient als auch ressourcenschonend sind. Entscheidend ist, dass diese Systeme den gesetzlichen Vorgaben entsprechen und eine jederzeit vollständig lesbare, unveränderbare und nachvollziehbare Dokumentation gewährleisten. Eine strukturierte und revisionssichere Archivierungsstrategie kann Unternehmen dabei unterstützen, nicht nur den rechtlichen Anforderungen zu genügen, sondern auch betriebliche Prozesse zu optimieren.

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Die ordnungsgemässe Belegaufbewahrung ist essenziell für eine rechtskonforme und transparente Unternehmensführung. Sie gewährleistet die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben und schafft eine klare, nachvollziehbare Struktur. Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Archivierung effizient und individuell auf Ihr Unternehmen abgestimmt zu gestalten.

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