Internationale Erbfälle - Was Sie beachten müssen

Welche Stolpersteine lauern bei der grenzüberschreitenden Nachlassplanung?

Aufgrund der zunehmenden Mobilität der Menschen verwundert es wenig, dass Nachlässe immer öfters einen Bezug zu mehreren Staaten aufweisen. Solche internationalen Sachverhalte können sich durch eine ausländische Staatsangehörigkeit der Erblasserin, durch Nachlassvermögenswerte im Ausland (z.B. die Ferienwohnung in Italien) oder durch im Ausland wohnhafte Erben ergeben.

Der Erbfall Deutschland-Schweiz

Der deutsche Staatsagenhörige Uwe lebt mit seiner Frau Beate in Basel. Mit Ausnahme ihres Ferienhauses auf Sylt befindet sich ihr gesamtes Vermögen in der Schweiz. Das Ehepaar macht sich Gedanken zur Nachlassplanung. Sie haben gehört, das schweizerische und das deutsche Erbrecht seien sehr ähnlich. Sie denken daher, es spiele keine Rolle, welches Recht auf ihren Nachlass Anwendung findet. Doch stimmt diese Annahme? Und welcher Staat ist in einem solchen Fall überhaupt zuständig (Frage der Zuständigkeit)?

Wenn Uwe mit letztem Wohnsitz in der Schweiz verstirbt, sind aus Schweizer Sicht grundsätzlich die Schweizer Behörden für seinen gesamten, weltweiten Nachlass zuständig. Da Uwe jedoch Grundeigentum in Deutschland hinterlässt (Ferienhaus auf Sylt) und deutscher Staatsangehöriger ist, beansprucht im Grundsatz auch Deutschland die Zuständigkeit für den gesamten, weltweiten Nachlass von Uwe. Damit liegt ein sog. positiver Kompetenzkonflikt vor (zwei oder mehrere Staaten halten sich für ein- und denselben Nachlass für zuständig). Ein solcher Kompetenzkonflikt kann die Nachlassabwicklung erheblich erschweren. Das Risiko eines Kompetenzkonfliktes sollte entsprechend im Rahmen der Nachlassplanung berücksichtigt und durch gezielte nachlassplanerische Massnahmen vermieden werden.

Und wie sieht es bezüglich des auf den Nachlass von Uwe anwendbaren Rechts aus (Frage des anwendbaren Rechts)? Hier ist die deutsche und die schweizerische Rechtslage identisch: Anwendbar ist das Recht am letzten gewöhnlichen Wohnsitz bzw. Aufenthalt des Erblassers (Basel), somit das Schweizer Recht. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass Uwe durch eine ausdrückliche Rechtwahl das Recht seines Heimatstaates, also deutsches Erbrecht, für seinen gesamten Nachlass wählt. Eine solche Rechtswahl kann insbesondere dann sinnvoll sein, wenn sich die von Uwe gewünschte Nachlassregelung nach deutschem Recht besser oder einfacher umsetzen lässt als nach Schweizer Recht.

Welche Unterschiede zwischen dem deutschem und dem schweizerischen Erbrecht müssen unter anderem beachtet werden?

Zwar bestehen zwischen dem deutschen und dem schweizerischen Erbrecht zahlreiche Gemeinsamkeiten. Doch es sind auch wichtige Unterschiede zu nennen:

Pflichtteilsrecht:

Das Pflichtteilsrecht ist in Deutschland schwächer ausgestaltet als in der Schweiz. Nach deutschem Recht besteht der Pflichtteil ausschliesslich aus einem Geldanspruch gegen die Erben bzw. gegen die Erbengemeinschaft. Pflichtteilsberechtigte sind nicht Teil der Erbengemeinschaft und haben keinerlei Mitsprache- und Mitwirkungsrechte. Demgegenüber sind Pflichtteilsberechtigte nach Schweizer Recht vollwertige Erben mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten (inklusive Auskunfts-, Informations- und Mitwirkungsrechten).

Erbrecht des überlebenden Ehegatten:

Gemäss deutschem Recht ist das Erbrecht des überlebenden Ehegatten vom Güterstand der Ehegatten abhängig. Je nach Güterstand kann auch die Anzahl der Nachkommen des Erblassers eine Rolle spielen. Demgegenüber ist in der Schweiz das Erbrecht des überlebenden Ehegatten vom Güterstand unabhängig.

Erbrechtliche Gestaltungsinstrumente:

Im deutschen Recht kann eine Erblasserin eine mehrfache Vor- und Nacherbfolge anordnen, d.h. die Erblasserin kann den Nachlass über mehrere Generationen regeln. Zudem kennt Deutschland das Institut der Familienstiftung. Beides ist in der Schweiz in nur sehr eingeschränktem Rahmen möglich bzw. unzulässig. Weiter kennt das deutsche Recht das sog. Berliner Testament (gemeinschaftliches Testament von Ehegatten) und das Behindertentestament (zwecks Absicherung eines Erben mit Beeinträchtigung). Rechtsfiguren, die dem Schweizer Recht fremd sind. Wie die vorstehend genannten - nicht abschliessenden - Beispiele zeigen, ist es in grenzüberschreitenden Nachlasskonstellationen von zentraler Bedeutung, nicht nur die inhaltliche Gestaltung des Nachlasses zu planen, sondern vor allem vorab zu klären, welches nationale Erbrecht auf den Nachlass zur Anwendung gelangt und welcher Staat für die Nachlassabwicklung zuständig ist.

Wie verhält es sich mit den Erbschaftssteuern?

Neben Fragen der Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts sollten im Rahmen einer internationalen Nachlassplanung stets erbschaftssteuerliche Aspekte berücksichtigt werden. Oft zeigen sich hier nämlich Stolpersteine, die auf den ersten Blick vielleicht nicht erkennbar sind. Beispiel: Die Witwe Vera (schweizerische Staatsangehörige) lebt in Zürich. Ihr gesamtes Vermögen befindet sich in der Schweiz. Verstirbt Vera in Zürich, sind gemäss Schweizer wie auch internationaler Sicht die Schweizer Behörden zuständig und Schweizer Recht gelangt zur Anwendung. Alleinerbe von Vera ist ihr einziger Sohn Samuel, der in München lebt. Im Kanton Zürich (Wohnsitzkanton der Erblasserin) sind direkte Nachkommen (Kinder, Enkelkinder etc.) von der Erbschaftssteuer befreit. Man könnte also annahmen, Veras Nachlass gehe vollständig steuerfrei auf Samuel über. Doch dem ist nicht so:

Die deutsche Erbschaftssteuerpflicht knüpft nämlich nicht nur an den gewöhnlichen Aufenthalt der Erblasserin, sondern ebenfalls an den gewöhnlichen Aufenthalt der Erben an. Lebt ein Erbe - wie hier der Sohn Samuel - in Deutschland, unterliegt er dort mit seinem gesamten Erbteil der unbeschränkten Erbschaftssteuerpflicht, unabhängig davon, wo die Erblasserin lebte und wo sich der Nachlass befindet. Da Samuel im vorliegenden Fall Alleinerbe ist, unterliegt das gesamte Nachlassvermögen von Vera der deutschen Erbschaftssteuer. Zwar besteht im Rahmen der Erbschaftssteuer ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz, doch dieses hilft hier nicht weiter: Da die Schweiz in unserem Beispiel keine Erbschaftssteuern erhebt, kann Deutschland den Nachlass vollumfänglich besteuern. Samuel fällt als direkter Nachkomme zwar in die günstigste Steuerklasse 1, dennoch können - abhängig von der Höhe des Nachlassvermögens - Erbschaftssteuern von bis zu 27% anfallen.

Das deutsche Erbschaftssteuerrecht kennt neben der unbeschränkten Steuerpflicht weitere Formen (erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht, beschränkte Steuerpflicht sowie erweiterte beschränkte Steuerpflicht). Gerade bei grenzüberschreitenden Erbschaftsangelegenheiten ist es unerlässlich, die steuerlichen Auswirkungen zu berücksichtigen und sich professionell beraten zu lassen.

Haben Sie weitere Fragen zu Ihrer persönlichen Vorsorge?

Unser Expertenteam steht Ihnen zur Seite. Erfahren Sie, wie Sie Vorgaben einhalten und organisatorische Fragen sicher meistern - wir unterstützen Sie umfassend und individuell.

Bleiben Sie auf dem Laufenden
mit den Newslettern von BDO Schweiz