Die wichtigsten Änderungen im Rahmen der Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes
Die Änderungen werden laut Beschluss des Bundesrates vom 21. August 2024 per 1. Januar 2025 in Kraft gesetzt. Die folgenden Änderungen sollen insbesondere den Massnahmen zur Kostensenkung im Gesundheitswesen gerecht werden:
- Management-Care-Leistungen im Sinne der koordinierten Versorgung bei Heilbehandlungen sind neu explizit von der Mehrwertsteuer ausgenommen (Art. 21 Abs 2, Ziff 3bis nMWSTG)
- Das Zurverfügungstellen von Infrastrukturleistungen an Belegärzten ist neu auch in Ambulatorien und Tageskliniken von der Mehrwertsteuer ausgenommen (Art. 21 Abs. 2, Ziff. 2 nMWSTG)
- Neu ist, dass die zu Hause erbrachten Leistungen aller Spitex-Organisationen von der MWST ausgenommen sind (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 8 nMWSTG), und nicht wie bisher nur die Leistungen der gemeinnützigen Organisationen. Somit profitieren auch gewinnorientierte Spitex-Organisationen neu von dieser MWST-Ausnahme. Als Spitex-Organisationen gelten Unternehmen, welche die Pflege, Betreuungs- und hauswirtschaftlichen Leistungen zu Hause erbringen. Von dieser MWST-Ausnahme ausgeschlossen sind jedoch Unternehmen, die ausschliesslich die Haushaltshilfe anbieten. Es spielt in diesem Fall keine Rolle, ob sie gewinnorientiert oder gemeinnützig sind.
Weit grössere Auswirkungen haben diverse Anpassungen der Verwaltungspraxis, welche in der MWST-Brancheninfo Nr. 21 «Gesundheitswesen» laufend publiziert worden sind.
Nachfolgend stellen wir die aus unserer Erfahrung wichtigsten Anpassungen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen in der Praxis vor.
Definition der Heilbehandlung und die Ausnahme von der Mehrwertsteuer
Im Sinne der Mehrwertsteuer gelten als Heilbehandlungen nur die Feststellung und Behandlung von Krankheiten, Verletzungen und anderen Störungen der körperlichen und seelischen Gesundheit des Menschen sowie Tätigkeiten, die der Vorbeugung von dessen Krankheiten oder dessen Gesundheitsstörung dienen.
Der Heilbehandlung gleichgestellt sind von Zahnärzten und Ärzten erstellte medizinische Gutachten zur Klärung sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche (vgl. nachstehend), aber auch Leistungen bei der Mutterschaft, der künstlichen Befruchtung, der Empfängnisverhütung oder dem Schwangerschaftsabbruch. Bei Leistungen im Zusammenhang mit medizinischen Gutachten sowie der präventiven Medizin sind die Voraussetzungen der Steuerausnahme immer im Einzelfall zu prüfen. Massgebend in den beiden letztgenannten Fällen ist insbesondere, dass die Leistungen vollständig und ausschliesslich von den jeweiligen Zahnärzten und Ärzten durchgeführt werden.
Hingegen sind Leistungen, die zur Hebung des Wohlbefindens oder der Leistungsfähigkeit dienen oder lediglich aus ästhetischen Gründen vorgenommen werden, grundsätzlich keine Heilbehandlungen und die nachfolgende MWST-Ausnahme ist nicht möglich. Solche Leistungen sind einzig dann von der MWST ausgenommen, wenn sie von Zahnärzten und Ärzten mit Berufsausübungsbewilligung im Inland persönlich erbracht werden.
Behandlungen, die von Zahnärzten und Ärzten vom jeweiligen erbracht und mittels TARMED abgerechnet werden, gelten grundsätzlich immer als von der Mehrwertsteuer ausgenommene Heilbehandlungen.
Heilbehandlungen oder ihnen gleichgestellte Leistungen sind nur dann von der Mehrwertsteuer ausgenommen, wenn die folgenden zwei Bedingungen kumulativ erfüllt sind:
- Die Tätigkeit muss von einem Leistungserbringer ausgeführt werden, der in Art. 21 Absatz 2 Ziffer 3 MWSTG bzw. Art 35 Absatz 2 MWSTV genannt ist. In diesen Gesetzesartikeln sind die entsprechenden medizinischen Berufe, von Allgemeinmedizin über Ergotherapie, Ernährungsberatung, Physiotherapie bis hin zur Zahnmedizin, explizit aufgeführt. Sollte eine Berufsgattung in diesen Quellen nicht aufgeführt sein, gelten die von ihr angebotenen Leistungen nicht als von der Mehrwertsteuer ausgenommene Heilbehandlungen.
- Der Leistungserbringer muss über eine kantonale Bewilligung verfügen, um den Heilberuf bzw. die damit verbundenen Heilbehandlungen auf dem Hoheitsgebiet ausüben zu dürfen. Eine kantonale Bestätigung der bewilligungsfreien Berufsausübung oder die Aufnahme in ein kantonales Register bestimmter Heilberufe reichen nicht aus. Informationen darüber, ob eine Person über eine Berufsausübungsbewilligung verfügt und welcher Kanton diese ausgestellt hat, können im Nationalen Register der Gesundheitsberufe (NAREG) oder im Gesundheitsberuferegister des Bundesamtes für Gesundheit (GesReg) eingesehen werden. Bei Kapitalgesellschaften, Ambulatorien oder Gemeinschaftspraxen ist eine kantonale Praxis- bzw. Institutsbewilligung oder bei Spitälern ein Eintrag auf der kantonalen Spitalliste zwingend notwendig.
Leistungserbringung bei Beteiligung mehrerer Personen oder Organisationen
Sind mehrere Personen oder Organisationen an der Erbringung einer Leistung beteiligt, ergeben sich Fragen bezüglich der mehrwertsteuerlichen Zuordnung der Endleistung (Patientenleistung) und des damit verbundenen Umsatzes. Auch ist zu klären, wie diese und dieser vorgelagerte Leistungen mehrwertsteuerlich zu beurteilen sind. Handelt es sich um eine von der MWST ausgenommene Heilbehandlung oder um eine steuerbare Leistung wie Personalverleih? Ein typisches Beispiel für eine solche Konstellation sind Dreiparteienverhältnisse, bei denen zwei aufeinanderfolgende Leistungsverhältnisse vorliegen. Beispielsweise erbringt ein ambulantes Behandlungszentrum, ein Spital oder ein Zentrum für ärztliche Heilbehandlung im eigenen Namen eine Leistung (z.B. Heilbehandlung) an den Patienten. Diese Leistung wird jedoch nicht durch eigene Angestellte, sondern durch eine Drittperson (Angehörige eines Heilberufes) oder eine Drittorganisation (z.B. durch Angestellte eines Spitals) erbracht.
Es ergibt sich folgende Leistungskette:
Die Zuordnung der Endleistung (Patientenleistung) ist bei solchen Leistungsketten entscheidend. Es gilt der Grundsatz, dass wer nach aussen im eigenen Namen auftritt, die (End)Leistung erbringt (Art. 20 Abs. 1 MWSTG). Personen hingegen, die lediglich einer anderen Person (Unternehmen) bei der Leistungserbringung behilflich sind, fehlt es an einem eigenständigen Aussenauftritt. Dies trifft bei Angestellten eines Leistungserbringers immer zu. Ihnen wird keine Leistungserbringung zugeordnet, sondern immer dem Arbeitgeber. Sie gelten im Verhältnis zu diesem als seine Erfüllungsgehilfen resp. seine Hilfspersonen.
Wenn jedoch Personen oder Organisationen, die vom Leistungserbringer der Endleistung hinzugezogen werden, im eigenen Namen und im Auftrag des Leistungserbringers notwendige Leistungen erbringen, gelten diese als Vorleistung der Endleistung. In dieser Situation sind End- und Vorleistung mehrwertsteuerlich einzeln zu qualifizieren. Es gilt dabei der Grundsatz, dass die MWST-Qualifikation der Endleistung (z.B. Heilbehandlung) auch für jene der Vorleistung gilt, wenn die Vor- und Endleistung 1:1 identisch sind (identische Leistungen, vgl. Art. 20 Abs. 3 MWSTG). Das bedeutet, dass hier faktisch der Vorleister die Endleistung vollständig und direkt an den Patienten und der Endleister keine Leistung erbringt. Wegen des Aussenauftritts gilt mehrwertsteuerlich indessen die obige Leistungskette mit Vor- und Endleistung.
Die Steuerbehörde beurteilt im Rahmen von Einzelfallbetrachtungen das Gesamtbild der vorhandenen Elemente des Aussenauftritts, um zu entscheiden, wem dieser in Bezug auf die Endleistung eigenständig zukommt und wer daher die Endleistung erbringt. Sie zieht dabei insbesondere die folgenden Kriterien des Aussenauftritts heran:
- Für jede eintretende Person ist durch getrennte Geschäftsräumlichkeiten das Bestehen eigenständiger Unternehmen eindeutig und leicht erkennbar;
- es werden unterschiedliche Unternehmensbezeichnungen verwendet;
- die Firmenlogos/Schriftzüge sind nicht identisch;
- es ist ein eigenes Firmenschild angebracht;
- jeder ist telefonisch unter einer eigenen Geschäftsnummer erreichbar und im Telefonverzeichnis sind die Geschäftsnummern separat eingetragen;
- Bestellformulare, Rechnungen, Quittungen und Kassazettel sind auf den Namen des jeweils selbstständig Erwerbenden ausgestellt;
- Webseiten, Publikationen, Inserate, Geschäftspapiere, Visitenkarten oder Preislisten lassen nicht auf ein gemeinsames Unternehmen schliessen.
- Die Rechnungsstellung an die Patientenschaft im eigenen Namen und mit eigener Erbringer-Nummer (ZSR, GLN) ist nach wie vor ein wichtiges, aber nicht wie in der früheren Praxis der Behörde oft allein massgebendes Kriterium eines eigenständigen Aussenauftritts.
- Ebenfalls für sich allein nicht massgebend, aber als Element des Aussenauftritts gilt die Qualifikation der fraglichen Tätigkeit als selbständig oder unselbständig erwerbend im Bereich der Sozialversicherungen (z.B. AHV), dem Recht der direkten Steuern oder dem Zivilrecht.
Gutachtertätigkeit
Die MWST-Qualifikation in diesem Bereich kann komplex sein, da sie je nach Anlass und Auftraggeberschaft variiert.
Ausschliesslich Gutachten von Zahnärzten und Ärzten, die der Klärung sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche dienen, sind von der Mehrwertsteuer befreit. Diese basieren auf den folgenden abschliessend aufgeführten Gesetzen:
- Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG; SR 831.10);
- Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20);
- Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40);
- Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10);
- Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG; SR 832.20);
- Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über die Militärversicherung (MVG; SR 833.1);
- Bundesgesetz vom 25. September 1952 über den Erwerbsersatz (EOG;SR 834.1);
- Bundesgesetz vom 20. Juni 1952 über die Familienzulagen in der Landwirtschaft (FLG; SR 836.1);
- Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG; SR 837.0).
Folgende Gutachten unterliegen deshalb der MWST zum Normalsatz von 8,1 Prozent:
Fahreignungsbegutachtungen (Feststellung der Fahrtauglichkeit), Seh- und andere Tests für den Erhalt von Lernfahrausweisen, Untersuchungen zur Beurteilung der Tauglichkeit von Feuerwehrleuten/Atemschutzgeräteträgern, Beurteilungen von fürsorgerischen Unterbringungen, die Beurteilung der Transportfähigkeit (beispielsweise von abgewiesenen Asylbewerbern per Flugzeug) oder Gutachten über den Gesundheitszustand einer Person, die von einer Lebensversicherung, einem Arbeitgeber oder einer Pensionskasse zur Beurteilung der Aufnahmebedingungen oder der Ansprüche im überobligatorischen, freiwilligen Bereich verlangt wird.
Fazit und abschliessende Bemerkungen
Die Neuerungen aufgrund der Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes, die am 1. Januar 2025 in Kraft treten, führen zu überschaubaren Änderungen in der Praxis. Viel wesentlicher und in der Umsetzung komplexer ist die sich ständig weiterentwickelnde Verwaltungspraxis der Eidgenössischen Steuerverwaltung. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen Sie hierbei gerne und kompetent.