MWST: Meldeverfahren bei Umstrukturierungen
MWST: Meldeverfahren bei Umstrukturierungen
Welche Neuerungen gilt es zu beachten?
Die ESTV hat ihre Verwaltungspraxis zum Meldeverfahren überarbeitet (MWST-Info 11, Version vom 11. Februar 2025). Eine Reihe von Neuerungen stellen willkommene Vereinfachungen dar. Allerdings bergen diese Neuerungen verschiedene Fallstricke, die es zu vermeiden gilt.
Das Meldeverfahren (Formular 764) ist nach Art. 38 MWSTG anzuwenden, sofern die auf den Veräusserungspreis berechnete MWST CHF 10'000 übersteigt oder eine Veräusserung bei Umstrukturierungen oder anderen Vermögensübertragungen (Fusionen etc.) an eine eng verbundene Person erfolgt. Das Meldeverfahren darf von Steuerpflichtigen angewendet werden, die die MWST effektiv, zu Saldosteuersätzen und zu Pauschalsteuersätzen abrechnen.
Rückwirkende Umstrukturierungen: Grundsätzlich keine Rückwirkung bei der MWST
Direkte Steuern kennen die rückwirkende Wirkung von Umstrukturierungen (Frist von sechs Monaten). Doch bei der MWST findet Rückwirkung statt. Somit gelten die in diesem Zeitraum erbrachten Leistungen als von dem Unternehmen erbracht, das gegenüber Dritten als Leistungserbringer aufgetreten ist. Im Übrigen kann der Vorsteuerabzug nur durch jenen Steuerpflichtigen erfolgen, der effektiv auch Empfänger der Leistung ist. Die korrekte Zuordnung von Umsätzen und Vorsteuern richtet sich daher nach dem Transaktionscharakter der MWST.
Durch die neue MWST-Info 11 wird die Möglichkeit geschaffen – sofern der Bund zu keinem Zeitpunkt einen Steuerausfall erleidet –, die Einnahmen und Ausgaben dieses Zeitraums ausnahmsweise in der MWST-Abrechnung der übernehmenden Gesellschaft zu deklarieren.
Obligatorisches Meldeverfahren bei Umstrukturierungen mit Ruling
Bei Vorliegen eines Ruling (verbindliche Auskunft), das von den kantonalen und eidgenössischen Steuerbehörden im Falle einer Umstrukturierung im Sinne der Art. 19 oder 61 DBG erteilt wird, ist das Meldeverfahren obligatorisch.
Ausweitung und Klärung der Fälle der freiwillige Anwendung des Meldeverfahrens
Die Voraussetzungen für eine freiwillige Anwendung des Meldeverfahrens bei Vorhandensein von «gewichtigen Interessen» sind präzisiert worden. Es handelt sich dabei um Transaktionen, die mit Vermögensübertragungen vergleichbar sind. Ein Antrag bei der ESTV bleibt jedoch zwingend erforderlich. Liste mit Beispielen:
- Übertragung eines Vermögenskomplexes, bei dem nicht sicher ist, ob es sich definitionsgemäss um einen Betrieb handelt;
- Übertragung eines Betriebs an unabhängige Dritte, wenn die Grenze von CHF 10'000 MWST nicht überschritten wird;
- Veräusserung von Vermögenswerten, die einen wesentlichen Teil der Bilanzsumme ausmachen, bei Geschäftsaufgabe oder Finanzierungsgeschäften (z. B. Veräusserung von Vermögenswerten zu Finanzierungszwecken).
Darüber hinaus können nach dieser Praxis gewichtige Interessen nicht ausschliesslich durch die Höhe der geschuldeten MWST begründet werden. In der Praxis wird das freiwillige Meldeverfahren meist zur Cashflow Optimierung durchgeführt. Die Zukunft wird zeigen, ob sich die Möglichkeiten für eine freiwillige Anwendung des Meldeverfahrens durch diese neue Praxis tatsächlich ausweiten lassen.
Übertragungen von Grundstücken mit dem Meldeverfahren
Die Übertragung von Grundstücken oder Grundstücksteilen kann mit dem freiwilligen Meldeverfahren durchgeführt werden. Ein Antrag an die ESTV ist in diesem Fall nicht erforderlich. Die ESTV hat ihre Praxis wie folgt präzisiert und verschärft:
Wird das Meldeverfahren in der Übertragungsurkunde erwähnt, so gilt: Eine Meldung ist innerhalb der Finalisierungsfrist oder im Rahmen einer Berichtigungsabrechnung möglich, sofern die Meldung unterlassen wurde. In jedem Fall bleibt das Meldeverfahren anwendbar.
Anders verhält es sich, wenn die Übertragungsurkunde keine Mehrwertsteuerklausel enthält bzw. das Meldeverfahren darin nicht erwähnt wird: In diesem Fall ist das Meldeverfahren nur dann möglich, wenn die Transaktion im Abrechnungszeitraum, in dem die Uebertragung stattfindet, gemeldet wird (Ziff. 225 und 280 der Abrechnung und Einreichung des Formulars 764), wobei eine Fristverlängerung für die Einreichung der Abrechnung möglich ist. Erfolgt die Meldung nicht innerhalb dieser Frist, ist es nicht mehr möglich, das Meldeverfahren nachträglich anzuwenden; damit gilt die Veräusserung als von der Steuer ausgenommen – mit den entsprechenden Konsequenzen (gegebenenfalls Eigenverbrauch).
Diese neue Praxis unterstreicht die Notwendigkeit, jeweils vorab zu klären, wie eine Liegenschaft aus Sicht der MWST am besten übertragen werden kann (Veräusserung von der MWST ausgenommen, mittels Option oder mit Meldeverfahren), und den Notar davon zu überzeugen, eine entsprechende Klausel in die Übertragungsurkunde aufzunehmen.
Variabler Kaufpreis (Earn-Out-Klausel): Zunächst erfolgt die Meldung des ungefähren Betrags und wird später, falls erforderlich, korrigiert
Wenn der endgültige Kaufpreis zum Zeitpunkt der Transaktion noch nicht feststeht, muss der geschätzte ungefähre Betrag in der Abrechnung des Zeitraums angegeben werden, in dem die Transaktion durchgeführt wurde. Die Berechnung der Schätzung muss zusammen mit dem Formular 764 eingereicht werden.
Erweist sich die Schätzung später als zu niedrig oder zu hoch, muss die Differenz nach Eingang der letzten (Rest-)Zahlung in einer Berichtigungsabrechnung für den Abrechnungszeitraum gemeldet werden, in dem die Transaktion ursprünglich gemeldet wurde. Dies führt zu konkreten Problemen bei der Meldung im ePortal durch den Veräusserer, der möglicherweise aus dem Register der steuerpflichtigen Personen gelöscht wurde. Es wird daher empfohlen, die ePortal-Zugänge aufzubewahren, um solche Transaktionen später noch melden zu können.
Die Veräusserung zum Buchwert statt zum Verkehrswert zwischen eng verbundenen Personen möglich
Eine willkommene Vereinfachung
Meldeverfahren bei Übertragung zwischen einer effektiv abrechnenden Person und einer anderen Person, die mit der Saldosteuersatzmethode abrechnet (Art. 83 MWSTV)
Übernimmt eine steuerpflichtige Person, die nach der Saldosteuersatzmethode abrechnet, im Rahmen des Meldeverfahrens ein Gesamt- oder Teilvermögen oder sonstige Vermögenswerte, insbesondere eine Liegenschaft, von einer steuerpflichtigen Person, die effektiv abrechnet, so hat sie eine Korrektur analog zu einer Nutzungsänderung vorzunehmen. Dies bedeutet: Der Erwerber muss den Zeitwert der vom Veräusserer abgezogenen MWST zurückzahlen (nach Abschreibung von 5% pro Jahr bei Immobilien und 20% pro Jahr bei beweglichen Vermögenswerten). Kann der Erwerber die vom Veräusserer tatsächlich abgezogenen Vorsteuerbeträge nachweisen (was in der Praxis unwahrscheinlich ist), so ist die Korrektur nur auf diesen Wert vorzunehmen. Ohne Nachweis wird die Korrektur jedoch auf den gesamten Veräusserungspreis fällig. In diesem Fall muss der Erwerber 8,1% des Veräusserungspreises als analoge Korrektur für eine Nutzungsänderung zahlen. Diese Mehrwertsteuerzahlung ist selbstverständlich nicht abzugsfähig, da der Erwerber ja nach der Saldosteuersatzmethode abrechnet. Die neue Bestimmung kann für Erwerber, die nach der Saldosteuersatzmethode abrechnen, somit unliebsame Überraschungen bereithalten.
Sacheinlagen
Sacheinlagen stellen entgeltliche Leistungen dar und sind grundsätzlich steuerpflichtig. Das Meldeverfahren ist daher wie gewohnt anwendbar.
Neue Mehrwertsteuerpraxis: Wichtige Empfehlungen
Generell sollte die mehrwertsteuerliche Behandlung von Grundstücksveräusserungen im Vorfeld geklärt werden (Veräusserung von der MWST ausgenommen, Steuerpflicht bei Option oder Meldeverfahren), um die Möglichkeiten der Steueroptimierung zu nutzen und böse Überraschungen zu vermeiden. Dabei ist es stets sinnvoll, eineMehrwertsteuerklausel in die Übertragungsurkunde aufzunehmen, insbesondere bei Anwendung des Meldeverfahrens. Eine verspätete Meldung kann in bestimmten Fällen den Kaufpreis um 8,1% verteuern.
Übertragungen von Vermögenswerten oder Immobilien zwischen Steuerpflichtigen, die effektiv abrechnen, und solchen, die nach der Saldosteuersatzmethode abrechnen, führen nunmehr beim Erwerber zu Korrekturen auf den Zeitwert analog zu einer Nutzungsänderung. Ein Grund mehr für Steuerpflichtige, die nach der Saldosteuersatzmethode abrechnen, sich die Frage nach einem Wechsel zur effektiven Abrechnung zu stellen.